Traublinger vor der Vollversammlung der HWK: Mobbing gegen Handwerk und Mittelstand

25. November 2002

Schlecht wäre schon geprahlt!" So skizzierte Handwerkskammerpräsident Heinrich Traublinger, MdL, vor der Vollversammlung der Handwerkskammer am 25. November 2002 in München die wirtschaftliche Situation des Handwerks. Der Wirtschaftsbereich Handwerk habe sich selten zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik in einer vergleichbar schwierigen Lage befunden, erklärte der Kammerpräsident. Und die aktuelle Wirtschaftspolitik der rot-grünen Bundesregierung betreibe ein regelrechtes "Mobbing" gegen Handwerk und Mittelstand, so Traublinger. 
Die Grunddaten des Handwerks in München und Oberbayern zeigten im Moment senkrecht nach unten. Dies bedeute konkret für die ersten drei Quartale 2002: Die Beschäftigtenzahl liegt um sechs Prozent niedriger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres und betrug nur noch 320 000. Der Gesamtumsatz lag mit 21 Mrd. Euro nominal um fünf Prozent, real sogar um sechs Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres. Sogar die Anzahl der Betriebe ist rückläufig und lag mit 59 967 um 0,6 Prozent unter dem Vorjahreswert. Bei den Investitionen ist ein Minus von nicht weniger als zehn Prozent auf 555 Mio. Euro zu verzeichnen. Aussicht auf Besserung sei nicht in Sicht, erklärte Traublinger. Das Handwerk in München und Oberbayern werde sich bis zum Jahresende sicherlich nicht aus dem konjunkturellen Schlagschatten herauslösen können. Die deutlichen Minuszahlen zum Ende des dritten Quartals dürften in etwa auch für die Jahresbetrachtung Bestand haben. Sollte diese bedrohliche Entwicklung auch über das Jahresende hinaus anhalten, so der HWK-Präsident, dann werde es zahlreichen Betrieben langsam aber sicher an die Substanz gehen. Dennoch gebe es auch heute noch gesunde und krisenstabile Handwerksbetriebe, die aus dieser Konjunkturkrise gestärkt hervortreten könnten. Traublinger: "Es würde allen aber wesentlich leichter fallen, wenn die geeigneten politischen Rahmenbedingungen gegeben wären." Bedauerlicherweise lasse die Bundespolitik Mittelstand und Handwerk in dieser schwierigen Krise alleine. Sie mache nicht nur keinerlei Anstalten, mit Initiativen und Reformkonzepten auf die kleinen und mittleren Betriebe zuzugehen, sie türme im Gegenteil noch weitere Belastungshürden auf. Traublinger wörtlich: "Die Koalitionsvereinbarungen der neuen Bundesregierung sind jedenfalls nicht mehr als eine trübe Essenz von volkswirtschaftlicher Ignoranz, wirtschaftspolitischer Kurzsichtigkeit und mittelstandspolitischer Verständnislosigkeit." Diese handwerkspolitische Einschätzung werde im übrigen inhaltlich vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geteilt. 
Deutschland benötige dringend einen steuerpolitischen Befreiungsschlag. Statt dessen bekomme unser Land ein für die mittelständische Wirtschaft ungenießbares Menü aus versteckten und offenen Steuererhöhungen, garniert mit giftigen Sozialneidzutaten serviert, so Traublinger. Über die lange Liste von steuerrechtlichen Verschlechterungen freue sich eigentlich nur eine Branche, nämlich die der Schwarzarbeit. Professor Schneider, Experte für Schattenwirtschaft an der Universität Linz, prognostiziere aufgrund des Maßnahmepakets der Bundesregierung für das kommende Jahr einen Anstieg der Schwarzarbeit um neun Prozent auf das Rekordvolumen von 380 Mrd. Euro. Hart ins Gericht ging der Handwerkskammerpräsident auch mit den steigenden Lohnzusatzkosten: "Statt durch eine Stärkung von Eigeninitiative und Selbstverantwortung unser Sozialsystem für die Zukunft auf tragfähige Fundamente zu stellen, hat die Bundesregierung den Weg über Dirigismus und mehr Bürokratie gewählt." Auch die vorgeschlagenen Maßnahmenschritte am Arbeitsmarkt dürften sich aus Sicht des Handwerks nicht im Entferntesten mit dem Etikett "Reform" schmücken. 
Die Vorschläge der sogenannten Hartz-Kommission, so wie sie jetzt umgesetzt würden, seien im Gegenteil nicht mehr als ein neuer Aufguss der veralteten und unproduktiven Rezepte "Dirigismus" und "Subventionierung". Diese Einschätzung werde von den Handwerkern in München und Oberbayern geteilt, die die HWK in einer aktuellen Sonderumfrage zum Thema "Arbeitsmarkt" befragt habe. Die Handwerksbetriebe stünden demnach dem Konzept der Hartz-Kommission sehr skeptisch gegenüber. 45 Prozent der Betriebsinhaber sind der Ansicht, dass keine der Maßnahmen der Hartz-Kommission die Einstellung von Arbeitskräften erleichtern würde. Im Unterschied dazu benennen die Betriebsinhaber genau diejenigen Haupthindernisse für Neueinstellungen, die im Hartz-Konzept ausgespart werden. 89 Prozent von ihnen sehen in der Senkung der Lohnzusatzkosten den vielversprechendsten Ansatz, um das Klima für Einstellungen zu verbessern. 48 Prozent sprechen sich für eine Ausweitung der geringfügigen Beschäftigung aus, 44 Prozent fordern Änderungen bei Arbeitslosen- und Sozialhilfe, 41 Prozent mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei Teilzeit- und befristeten Arbeitsverhältnissen und 38 Prozent wollen den Kündigungsschutz lockern. So klar und eindeutig sei das Meinungsbild im Handwerk, aber die Bundesregierung wolle bedauerlicherweise erneut nicht auf die Stimmen aus der Wirtschaft hören, erklärte Traublinger.