Traublinger vor der Vollversammlung der Handwerkskammer: Angespannte Lage des Münchner und oberbayerischen Handwerks

22. November 2004

Die Bilanz des Münchner und oberbayerischen Handwerks für das Jahr 2004 spiegelt die angespannte Lage im Handwerk wider, betonte Präsident Heinrich Traublinger, MdL, vor der Vollversammlung der Handwerkskammer für München und Oberbayern am 22. November 2004 in München. Mit 29 Milliarden Euro sei der Umsatz nominal gegenüber dem Jahr 2003 um weniger als ein Prozent gestiegen. Real bedeute dies Stagnation. Auch in München falle die Bilanz nicht positiver aus.

Die Zahl der Beschäftigten sei erneut rückläufig. Mit 298.000 Beschäftigten arbeiteten rund zwei Prozent weniger Arbeitskräfte im oberbayerischen Handwerk als im Vorjahr. Traublinger: "Damit liegen wir erstmals seit 1977 wieder unter der Marke von 300 000 Beschäftigten." Allerdings habe sich der Beschäftigungsabbau etwas verlangsamt. In München sei die Zahl der Beschäftigten um rund 1,5 Prozent auf 97 000 gesunken. Ein deutlicher Anstieg sei dagegen bei der Zahl der Betriebe registriert worden. In Oberbayern sei ein Anstieg um 3,8 Prozent auf 62 000 zu verzeichnen, in München sogar um 7,4 Prozent auf 15 700.

Dies sei eine Folge der Novellierung der Handwerksordnung, so Traublinger. Die Zahl der Handwerksbetriebe in den B1-Berufen sei im laufenden Jahr um ein Drittel angestiegen, in München sogar um über 60 Prozent. Dabei handle es sich überwiegend um Fliesenleger, Gebäudereiniger und Fotografen. 85 Prozent dieser Gründungen im zulassungsfreien Handwerk erfolgten ohne Qualifikation. Traublinger: "Die Sprengkraft der neuen Handwerksordnung in Verbindung mit der Osterweiterung zeigt sich vor allem bei einer Betrachtung der Neueintragungen von Einzelunternehmern in den bauhandwerklichen B1-Berufen."

Seit dem 1. Mai entfielen in Oberbayern 48 Prozent auf Betriebsgründer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten, insgesamt waren 56 Prozent Ausländer. In München waren sogar 74 Prozent Ausländer und 68 Prozent kamen aus den neuen EU-Mitgliedstaaten. Vor dem 1. Mai sei der Anteil der Neueintragungen in diesem Bereich durch Antragsteller aus den neuen EU-Ländern noch unter einem Prozent gelegen. Die Zahlen machten deutlich, dass die Übergangsregelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und zur Dienstleistungsfreiheit ihre Wirkung wegen der Ausnahmeregelung für Einzelunternehmer im Bereich des Handwerks nicht voll entfalten könnten. Es bestätige sich zudem die Befürchtung des Handwerks, dass die Übergangsregelungen löchrig seien wie ein Schweizer Käse. In der Konsequenz drohe ein erheblicher Verdrängungswettbewerb zu Lasten heimischer Unternehmen, denn die zusätzlichen Anbieter träfen auf einen bestenfalls stagnierenden Markt, bekräftigte der Handwerkskammerpräsident.

Die Situation im Handwerk werde sich erst durchgreifend verbessern, so Traublinger, wenn die Konjunktur in Deutschland nicht mehr allein am Export hänge, sondern endlich Konsum und Investitionen, vor allem im Bau, im Inland in Fahrt kämen. Traublinger: "Das heißt vor allem, dass die Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme dauerhaft gesichert werden muss." Der größte Handlungsbedarf bestehe dabei im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung. Keine Lösung stelle das Modell der Bürgerversicherung dar. Man müsse davon wegkommen, die Bemessungsgrundlage für die Beitragserhebung auszuweiten und ständig zusätzliches Geld in das System zu pumpen. Das Modell des Handwerks einer Gesundheitsprämie mit sozialem Ausgleich sei eindeutig der erfolgversprechendere Ansatz, so Traublinger.

"Wir hätten uns daher gewünscht, dass die Union sich auf ein solches Modell verständigen kann." Der nun beschlossene Kompromiss werde den Anforderungen jedoch nicht gerecht. Insbesondere bringe er nicht die notwendige Senkung der Lohnzusatzkosten. Es reiche auch nicht aus, allein die Finanzierung des Gesundheitswesens auf neue Beine zu stellen. Es müsse darüber hinaus durch eine Überprüfung des Leistungskatalogs, durch eine Beschränkung auf das medizinisch Notwendige und durch eine Stärkung des Wettbewerbs im Gesundheitsbereich eine Senkung der Ausgaben herbeigeführt werden, bekräftigte Traublinger.

Eine auf verschiedensten Ebenen gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt und dem Handwerk habe mit dazu beigetragen, dass das Handwerk seine Funktion in dem Branchenmix, das den wirtschaftlichen Erfolg Münchens ausmache, erfüllen könne. Als Beispiele nannte Traublinger den Zweckverband Meisterschulen, die Gewerbehofgesellschaft oder auch ganz aktuell muenchen.de. Es müsse jedoch unmissverständlich festgestellt werden, dass die Wirtschaftskraft Münchens und auch der ausgewogene Branchenmix immer wieder aufs Neue erarbeitet werden müssten, erklärte Traublinger an die Adresse des Wirtschaftsreferenten der Landeshauptstadt Dr. Reinhard Wieczorek.

Konfliktpotential zwischen dem Handwerk und der Stadt biete immer wieder das Bestreben der Stadtwerke München, auf Märkte des Handwerks vorzudringen. Seien es Elektroanschlüsse auf der Wiesn oder Installationsarbeiten im Zusammenhang mit den Umstellungen beim Fernwärmenetz. Auch aktuell gebe es Anlass zur Kritik, zum einen durch ein Angebot der SWM-Versorgungs-GmbH zu Errichtung und Vertrieb von Photovoltaikanlagen, zum anderen durch das Angebot der Stadtwerke, bauwilligen Kunden neben dem Baustrom auch gleichzeitig den Baustromanschlussschrank zur Verfügung zu stellen. Die Stadtwerke nutzten hier ihre Monopolstellung beim Baustrom gegenüber dem Elektrohandwerk aus. Ferner drängen sie in beiden Fällen unzulässigerweise auf Wettbewerbsmärkte vor. Der eng definierte Bereich der Daseinsvorsorge werde klar überschritten, betonte Traublinger.