Lenze vor der Vollversammlung der Handwerkskammer: Betriebsinhaber beklagen mangelnde Ausbildungsfähigkeit und -willigkeit

Die freiwillige Vereinbarung des Ausbildungspakts zwischen Bundesregierung und Wirtschaft kann als Lehrbuchbeispiel dafür bezeichnet werden, warum in einer marktwirtschaftlichen Ordnung freiwillige Kooperationen stets bessere Ergebnisse zeitigen als dirigistische Zwangslösungen. Dies bekräftigte Hauptgeschäftsführer Bernd Lenze vor der Vollversammlung der Handwerkskammer für München und Oberbayern am 22. November 2004 in München.

Mit einer Ausbildungsplatzabgabe wäre unter Garantie kein einziger zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplatz geschaffen worden, so Lenze. Der Ausbildungspakt hingegen zeige bereits im ersten Jahr seiner Gültigkeit bemerkenswert positive Ergebnisse.

Das Handwerk habe dabei eindrucksvoll bewiesen, wie sehr man sich auf den gewerblichen Ausbilder Nummer Eins verlassen kann, erklärte der Hauptgeschäftsführer. Die großen Anstrengungen der vergangenen Monate hätten auch im Bezirk der Handwerkskammer für München und Oberbayern Früchte getragen.

Es seien deutlich mehr neue Lehrstellen eingeworben worden, als es die Zielgröße aus dem Ausbildungspakt erfordert hätte. Allerdings sei die Zahl der neu eingetragenen Lehrverhältnisse zum 31. Oktober mit 8993 Neuabschlüssen um 193 oder 2,1 Prozent geringer ausgefallen als zum selben Zeitpunkt des Vorjahres: Hier wirkten sich die wegfallenden Ausbildungsplätze von Betrieben in wirtschaftlichen Schwierigkeiten negativ aus.

Andererseits fänden viele Jugendliche in München und Oberbayern als wirtschaftlich relativ starker Region auch in anderen Branchen wieder eine Lehrstelle und daher könnten die im Handwerk angebotenen Lehrstellen bei weitem nicht besetzt werden. Aber noch fehlten die Monate November und Dezember. Es habe sich in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt, dass auch nach Beginn des Ausbildungsjahres der Zug nicht abgefahren sei. Derzeit laufe die Nachvermittlung.

Lenze: "Eine der Hauptschwierigkeiten, mit denen die Handwerksbetriebe bei der Besetzung noch offener Lehrstellen konfrontiert sind, ist die schwindende Ausbildungsfähigkeit und auch -willigkeit vieler Jugendlicher." Dies zeige sich beispielsweise daran, dass ein Drittel der zur Nachvermittlungsaktion eingeladenen Bewerber erst gar nicht erschienen sei. Auch eine aktuelle Umfrage der Handwerkskammer untermauere diesen Sachverhalt. Die befragten Betriebsinhaber gaben an, dass 48 Prozent der in ihrem Betrieb ausgebildeten Lehrlinge in irgendeiner Form Schwierigkeiten hätten, in München sogar 54 Prozent.

Als Hauptprobleme nannten 79 Prozent die geringe Lern- und Leistungsbereitschaft, Motivation und Zielstrebigkeit bei den Auszubildenden, 65 Prozent deren ungenügende Schulkenntnisse bzw. Allgemeinbildung, 47 Prozent schlechte Umgangsformen, mangelhafte Zuverlässigkeit, Unpünktlichkeit, 32 Prozent geringe körperliche und psychische Belastbarkeit, 25 Prozent zu wenig ausgeprägte soziale Kompetenz sowie 22 Prozent falsche oder überzogene Erwartungen hinsichtlich Ausbildung und Berufsleben. Augenfällig sei auch, so Lenze, dass 65 Prozent der befragten Betriebsinhaber festgestellt hätten, dass sich der Notendurchschnitt der Lehrstellenbewerber im Vergleich zu früher verschlechtert hat. Nur sechs Prozent hätten eine Verbesserung beobachtet.

71 Prozent der Betriebsinhaber sähen die Notwendigkeit, dass in der Schule mit mehr Realitätsnähe auf die Anforderungen des Erwerbslebens vorzubereitet werden müsse, erläuterte Lenze. 69 Prozent wollten wirtschaftliche Zusammenhänge vermittelt, Leistungsgedanken positiver dargestellt und wirtschaftliches Denken gefördert wissen. Immerhin zwei von drei Betriebsinhabern seien der Meinung, dass Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen besser vermittelt werden müssten. 43 Prozent hätten sich für eine verstärkte Förderung sozialer Fähigkeiten, 32 Prozent für eine engere Zusammenarbeit der Schulen mit den Betrieben ausgesprochen.

Doch die Handwerker beklagten nicht nur Versäumnisse der allgemeinbildenden Schulen, sie ergriffen auch selbst die Initiative, so Lenze: 70 Prozent der befragten Betriebsinhaber böten Praktikumplätze an, 13 Prozent versuchten über Schulbesuche oder ¿partnerschaften die Jugendlichen besser an das Erwerbsleben heranzuführen und acht Prozent sähen sich in der Lage, ein Angebot von Einstiegsqualifikationsplätzen bereitzustellen.

Hauptgeschäftsführer Lenze: "Die Ergebnisse dieser Umfrage sollten einen Anstoß dazu geben, in den nächsten Jahren die Ausbildungsfähigkeit der Schulabgänger zu verbessern, um die Lücken zwischen offenen Lehrstellen und noch nicht vermittelten Bewerbern besser zu schließen."