Verregnete Stimmung im Handwerk:Grundlegende Reform der Gemeindefinanzen angemahnt

2. August 2002

Das Sommerhoch fällt für das Münchner und oberbayerische Handwerk ins Wasser. Handwerkskammerpräsident Heinrich Traublinger, MdL, sagte am 02. August 2002 in München vor der Presse, vom erhofften Konjunkturaufschwung im Sommer sei bei den knapp 60 000 Handwerksbetrieben in München und Oberbayern "ganz und gar nichts" zu spüren. Wie die jüngste Konjunkturumfrage der Handwerkskammer unter ihren Mitgliedsbetrieben zeige, habe der Geschäftsklima-Index - also der Mittelwert aus aktueller Lageeinschätzung und Erwartungen - zur Jahresmitte lediglich 62 Prozentpunkte erreicht und sei damit um elf Punkte hinter dem Niveau Ende Juni 2001 zurück geblieben. Traublinger: "Das ist ein Rekordtiefstand!" Die Handwerksmeister erwarteten nicht, dass der Konjunkturmotor bald anspringen werde. 
Im Raum München sei die Stimmung unter den Handwerkern besonders schlecht. Lediglich 15 Prozent der Münchner Handwerksbetriebe hätten ihre Lage als gut bezeichnet, 44 Prozent als befriedigend und 41 Prozent als schlecht. Hauptgrund für die verregnete Stimmung im Münchner und oberbayerischen Handwerk sei die Auftragsentwicklung. Vier von zehn Handwerksmeistern berichteten über eine gegenüber dem Vorquartal nachlassende Nachfrage, nur 18 Prozent hätten mehr Bestellungen entgegen nehmen können. Die konsumnahen Gewerke könnten, wie der gesamte Einzelhandel, ein leidvolles Lied vom lahmenden privaten Verbrauch singen, betonte der HWK-Präsident. Nach ersten Schätzungen seien die Umsätze des Münchner und oberbayerischen Handwerks gegenüber dem ersten Halbjahr 2001 um über drei Prozent auf 13,8 Mrd. Euro gesunken. Traublinger: "Wir sind damit wieder auf das Niveau von vor zwei Jahren zurückgefallen." 41 Prozent der Befragten berichteten von steigenden Einkaufspreisen. Auf der anderen Seite habe aber nur jeder zehnte Handwerksbetrieb höhere Verkaufspreise durchsetzen können. Damit hätten sich auch die Gewinnaussichten der Betriebe weiter verschlechtert. Die damit immer dünner werdende Eigenkapitaldecke der Betriebe habe erhebliche negative Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit und Investitionsfähigkeit der Betriebe. In erster Linie würden nur noch Ersatzbeschaffungen und Rationalisierungsinvestitionen durchgeführt, von denen aber kaum Wachstumseffekte ausgingen. Traublinger: "Im ersten Halbjahr dieses Jahres investierten die oberbayerischen Handwerksunternehmen in der Summe rund 370 Millionen Euro, etwa ein Zehntel weniger als ein Jahr zuvor." Auch die sonst übliche Personalaufstockung während des Frühjahrs habe im zweiten Quartal 2002 nicht stattgefunden. 321 000 Beschäftigte, fast 15 000 weniger als zu Jahresbeginn, zählte das Münchner und oberbayerische Handwerk zur Jahresmitte. Damit habe die Beschäftigtenzahl um drei Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen. Traublinger: "Und die Prognosen unserer Betriebe weisen eher weiter nach unten." Traublinger machte deutlich, dass die Ursachen dieser schlechten konjunkturellen Entwicklung im Handwerk in der überbordenden Belastung ehrlicher Arbeit mit Steuern, Abgaben und Lohnzusatzkosten lägen. Dass Arbeit genug für die Handwerker im Lande vorhanden wäre, zeigten die neuesten Berechnungen des Linzer Volkswirtschaftlers Friedrich Schneider zur Schwarzarbeit überdeutlich. Danach habe sich der Umfang der Schattenwirtschaft in unserem Lande seit 1975 nahezu verdreifacht und werde 2002 bei über 350 Milliarden Euro liegen. Die dramatische Entwicklung der Schwarzarbeit unterstreiche den Handlungsbedarf zur Entlastung der Handwerksbetriebe. Der Handwerkskammerpräsident: "Vor allem fordern wir eine Steuerpolitik, die endlich eine spürbare Entlastung für die kleinen und mittleren Betriebe bringt!" Das Handwerk fordere zudem eine Sozialpolitik, die sich endlich wieder am Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft orientiere, die Raum schaffe für Beschäftigung und nicht diejenigen, die Arbeitsplätze schafften, bestrafe. Traublinger: "Der Vollkasko-Staat ist weder wünschenswert noch finanzierbar."
Ein wesentlicher Faktor für das Wohlergehen des Handwerks seien auch gesunde Finanzen der Städte und Gemeinden. Die Kommunen seien mit der wichtigste Auftraggeber für das Handwerk, da sie zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen tätigten. Lege man zugrunde, so Traublinger, dass knapp 80 Prozent aller öffentlichen Bauausgaben von den Kommunen getätigt würden, so setze allein das Münchner und oberbayerische Baugewerbe jährlich rund 1,5 Mrd. Euro um. Das Handwerk plädiere daher für eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzierung, die es den Kommunen erlaube, ihre Aufgaben voll wahrzunehmen und die zugleich das Interesse der Kommunen an der Ansiedlung von Gewerbe erhalte. Die von Bundesfinanzminister Eichel um acht Prozentpunkte erhöhte Gewerbesteuerumlage, die an Bund und Länder abzuführen sei, müsse dringend wieder abgesenkt werden. Zudem müsse die nächste Bundesregierung unbedingt die rot-grüne Reform der Körperschaftsteuer ändern. Vor allem an die sog. Organschaft, die es den Großkonzernen ermögliche, Verluste von Tochterunternehmen im Ausland in Deutschland zu verrechnen, und die deswegen oftmals überhaupt keine Steuern mehr in Deutschland abführten, müsse sich die künftige Bundesregierung wagen. Traublinger: "Es kann doch nicht sein, dass die öffentlichen Aufgaben allein von den Arbeitnehmern, den Personengesellschaften und Einzelunternehmern geschultert werden!"