Konjunkturelle Trendwende im Handwerk nicht in SichtPeteranderl: "Ohne begleitende Strukturreformen werden die Sondervermögen in einem fiskalpolitischen Strohfeuer verpuffen"
4. November 2025
Eine konjunkturelle Trendwende ist im bayerischen Handwerk weiterhin nicht in Sicht: In den Konjunkturumfragen der Handwerkskammern im Freistaat bewerteten Ende September 82 Prozent der rund 2.100 befragten Betriebe ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder befriedigend. Damit stieg der Indikator im Vorjahresvergleich um 2 Punkte. „Deutschland braucht tiefgreifende Reformen, um private Investitionen anzukurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Neben dem Bürokratieabbau sind ein international wettbewerbsfähiges Steuerniveau und die Reform der sozialen Sicherungssysteme die größten Baustellen. Die Politik muss diese Themen anpacken, um die Standortbedingungen zu verbessern. Dabei darf sie ihr Augenmerk nicht nur auf die Großindustrie richten: Über die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland ist in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zuhause. Deren Nöte dürfen nicht weiter ignoriert werden“, fordert Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).
Die durchschnittliche Auslastung der bayerischen Handwerksbetriebe lag im 3. Quartal bei 79 Prozent und damit auf Vorjahresniveau. Leichte Rücksetzer gab es im Ausbauhandwerk, den Handwerken für den gewerblichen Bedarf und im Gesundheitshandwerk. Die Industrieproduktion in Bayern lag zwischen Januar und August fast 3 Prozent unter dem Wert des Vorjahres und fast 12 Prozent unter dem von 2019. Das spüren vor allem die handwerklichen Zulieferbetriebe. Im Bauhauptgewerbe stabilisierte dagegen vor allem das Tiefbausegment die Branche. Auch der Wohnungsbau klettert langsam aus der Talsohle. Das Kfz-Handwerk konnte sich in schwierigem Marktumfeld behaupten, während die Lebensmittelhandwerke und die Handwerke für den privaten Bedarf unter der Schwäche des Konsumklimas litten. Die Auftragseingänge entwickelten sich im Berichtszeitraum verhalten. Der Anteil an Betrieben mit rückläufigem Neugeschäft ging im Vergleich zum Vorjahr um 3 auf 31 Punkte zurück, der Anteil mit gestiegenem Neugeschäft verharrte bei 13 Punkten. Ende September verfügten die bayerischen Handwerksbetriebe im Durchschnitt über eine Auftragsreichweite von 8,7 Wochen, genauso viel wie vor einem Jahr. Im Bauhauptgewerbe wurde zum ersten Mal seit 13 Quartalen wieder ein leichtes Auftragsplus im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Die Investitionsneigung der bayerischen Handwerksbetriebe ging leicht um einen Punkt auf 38 Prozent zurück.
Bei den Einkaufspreisen berichteten 41 Prozent der befragten Handwerkerinnen und Handwerker von einem Anstieg im Berichtszeitraum. Das sind 7 Punkte mehr als vor einem Jahr. Im Verkauf konnten 19 Prozent der Firmen höhere Preise durchsetzen, ebenso viele wie im Vorjahr. Aufgrund der weiterhin schwächelnden Konjunktur verlief auch die Umsatzentwicklung für die bayerischen Handwerksbetriebe im 3. Quartal verhalten: 15 Prozent konnten ihre Umsätze im Berichtszeitraum steigern und 58 Prozent konstant halten. Gegenüber dem Vorjahresquartal ist das ein Plus von insgesamt 2 Punkten. Einen deutlichen Anstieg verzeichnete das Gesundheitshandwerk; auch im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe legten die Umsätze zu. Nach BHT-Schätzungen wurden im 3. Quartal im bayerischen Handwerk rund 37,8 Milliarden Euro umgesetzt. Im Vorjahresvergleich ist das ein leichter Zuwachs von nominal 1,2 Prozent. Nach Abzug der Preissteigerung verbleibt jedoch ein reales Minus von 1,8 Prozent.
Bei der Beschäftigung stand zum 30. September erneut ein Minus: Zwar vermeldeten 16 Prozent der Befragten einen Zuwachs, gleichzeitig mussten aber ebenso viele Betriebe mit weniger Personal auskommen. Nach ersten Schätzungen waren Ende September rund 951.400 Menschen im bayerischen Handwerk tätig. Binnen Jahresfrist ist das ein Rückgang von 1,3 Prozent. Die Zahl der Handwerksbetriebe im Freistaat stieg bis zum 30. September auf rund 216.000. Das sind 0,6 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Für die kommenden Monate zeigen sich die Betriebe etwas optimistischer als zuletzt: 79 Prozent erwarten eine bessere oder zumindest gleichbleibende Geschäftslage. Das sind 3 Punkte mehr als vor Jahresfrist. Der vorsichtige Optimismus zieht sich – mit Ausnahme des Handwerks für den privaten Bedarf – durch alle Branchen.
„Anstatt die im Koalitionsvertrag versprochenen Reformen zu verschleppen, muss die Politik in Bund und Ländern die strukturellen Probleme in Deutschland endlich angehen. Sonst werden die Sondervermögen für Rüstung und Infrastruktur in einem fiskalpolitischen Strohfeuer verpuffen. Der dringend erforderliche, selbsttragende Aufschwung kann so nicht entstehen“, warnt der BHT-Präsident.
Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur: