Positionspapier Leopoldstrasse

Feinstaub-Problematik: Die Münchner Wirtschaft bezieht Stellung

München, 5. April 2005

Nachhaltigen Image-Schaden für München vermeiden

Am Ostersonntag, 27. März 2005 wurde an der Messstation an der Landshuter Allee zum 36. Mal der Grenzwert von höchstens 50 Mikrogramm Feinstaub (PM10) pro Kubikmeter Luft im Tagesmittel überschritten. Die seit 1. Januar 2005 europaweit gültigen Feinstaubrichtlinien, die die Belastung der Atemluft durch Staubpartikel anzeigen sollen, erlauben jedoch nur jährlich maximal 35 Überschreitungen.

Dies hat eine äußerst emotionale Thematisierung der Feinstaubproblematik ausgelöst. Charakterisierungen Münchens als

"Schmutz-Metropole" oder "Gift-Zentrum" sind dabei nur traurige Höhepunkte. Tatsache ist, dass München ehrlich misst, während andere Städte an unkritischen Stellen bzw. bisher gar nicht messen.

Mit Nachdruck fordert daher die Münchner Wirtschaft ein schnelles Ende der unsachlichen Debatte über die Feinstaubprobleme in München. Alle Beteiligten sollten vielmehr schnellstens gemeinsam nach wirksamen und dauerhaften Lösungen suchen und nicht mit Schuldzuweisungen weitere Zeit ungenützt verstreichen lassen. Es gilt jetzt in einem ersten Schritt, die im Luftreinhalteplan formulierten Maßnahmen zügig und konsequent umzusetzen.

Denn lautstarke Vorwürfe, München sei die schmutzigste Stadt Deutschlands, sind weder richtig noch führen sie zum Ziel. Mit kurzfristigem Aktionismus, noch dazu auf München begrenzt, ist deshalb das Problem nicht zu lösen. Vielmehr schaden hysterische Debatten dem Standort München zusätzlich, weil die Konsequenzen vor allem die ohnehin schwierige Situation des Einzelhandels in der Innenstadt noch weiter verstärken. Zudem muss die Wirtschaft Gelegenheit haben, erforderliche Umrüstungen oder Neubeschaffungen im Fuhrpark einzuplanen, ohne ihre Aktivitäten abzuwürgen.

Feinstaub hat viele Verursacher

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand lässt sich nicht vollkommen ausschließen, dass Feinstaub eine Beeinträchtigung der Gesundheit, insbesondere bei gesundheitlich bereits vorbelasteten Personen, mit sich bringen kann.

Die nötigen Maßnahmen zur Verringerung des Feinstaubes müssen sich, wie längst im Luftreinhalteplan festgehalten, jedoch gegen alle Verursacher entsprechend ihres Beitrages richten und nach deutschem Verfassungsrecht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Das gelingt aber nur, wenn jeder die Erkenntnisse über die Herkunft von Feinstaub ernst nimmt.

Tatsache ist, dass lediglich ein Viertel der Emissionen aus dem direkten Umfeld der Messstationen stammt und sich diese 25 Prozent auf Verkehr, Hausbrand, Industrie und aufgewirbelten Feinstaub verteilen. Dagegen stammt über die Hälfte der Emission aus großräumiger Hintergrundbelastung, die durch lokale Maßnahmen nicht beeinflusst werden kann.

Die Münchner Wirtschaft fordert daher: Keine vermeintlichen "Patentrezepte", sondern zielführende Minderungsmaßnahmen, die sich an den Münchner Gegebenheiten orientieren.

10 Forderungen der Münchner Wirtschaft

Die Münchner Wirtschaft unterstützt alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, den Feinstaubanteil in der Luft dauerhaft zu reduzieren. Deshalb fordert sie:

  • Parkraumanagement-Konzept gezielt voranbringen

    Die Münchner Wirtschaft unterstützt die zügige Ausweitung des unter ihrer Mitwirkung in der Inzell-Initiative und im Forschungsprojekt MOBINET entwickelten Parkraummanagement-Konzepts auf die vom Parkdruck besonders betroffenen Stadtteilgebiete innerhalb des Mittleren Rings.

    In den Gebieten, in denen das Konzept bisher umsetzt wurde, ist die Parkraumauslastung, insbesondere durch weniger Berufspendler, von mehr als 100 Prozent auf durchschnittlich 85 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig hat sich die Erreichbarkeit der Geschäfte, Gaststätten und Hotels für Kunden, Gäste und Lieferanten erheblich verbessert, da jetzt wieder freie Straßenrandparkplätze zur Verfügung stehen.

    Als Nebeneffekt ist in den Gebieten ein geringerer Parksuchverkehr zu verzeichnen. Diese Entwicklungen sind ein Indiz für den Erfolg der angewandten Maßnahmen.

  • City-Maut für München untauglich

    Die City-Maut ist ein untaugliches Instrument für eine dauerhafte Reduzierung des Feinstaubanteils in der Luft. Dies bestätigt auch der Chef des Umweltbundesamtes, Andreas Troge. Sie würde nicht zu insgesamt weniger Autoverkehr führen, sondern nur zu einer Verlagerung ins Umland.

    Das zeigt auch das Beispiel London: Die City-Maut hat die wirtschaftliche Situation für den Einzelhandel so verschlechtert, dass zwischenzeitlich 30 Prozent der Händler überlegen, das Londoner Stadtzentrum zu verlassen. Auch in München würde eine City-Maut zur einer vergleichbaren Entwicklung führen. Die Folge wäre eine massive Zunahme des Handels auf der Grünen Wiese.

    Die Konsequenz wäre noch mehr Autoverkehrs im Münchner Umland, da öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden könnten. Ein Anstieg der Feinstaubemissionen im Umland und somit der Hintergrundbelastung in München wäre unvermeidlich.

  • Prüfung von Alternativen zur Lkw-Maut auf dem Mittleren Ring

    Die Münchner Wirtschaft unterstützt grundsätzlich alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, den Durchgangsverkehr vom Stadtgebiet fernzuhalten. Bei der Diskussion über die Einführung einer Lkw-Maut auf dem Mittleren Ring sollte allerdings bedacht werden, dass nur 20 Prozent des Lkw-Verkehrs so genannter Durchgangsverkehr sind.

    80 Prozent des Lkw-Verkehrs sind innerstädtischer Ziel- und Quellverkehr. Im Falle einer Mauterhebung auf dem Mittleren Ring ist daher nicht auszuschließen, dass der innerstädtische Lkw-Verkehr in zunehmendem Maße den Mittleren Ring meidet und auf das nachgeordnete Straßennetz auch in Wohnquartiere ausweicht.

    Die Münchner Wirtschaft regt deshalb an, Alternativen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs zu prüfen. Zudem könnte auch ein geschlossener Autobahnring den Durchgangsverkehr gerade auf dem besonders stark belasteten Südabschnitt des Mittleren Rings deutlich reduzieren.
  • Fahrverbote und Straßensperrungen für München nicht zielführend

    Allgemeine Fahrverbote zur Reduzierung der Feinstaubbelastung sind nach Auffassung der Münchner Wirtschaft nicht verursachergerecht, da der in München importierte Anteil des Feinstaubs mehr als 50 Prozent beträgt.

    Sie sind in ihren Auswirkungen auch nicht verhältnismäßig, da neben dem Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung insbesondere auch der notwendigen Ver- und Entsorgung der Stadt München Rechnung getragen werden muss. Der Wirtschaftsverkehr ist auf eine funktionierende und jederzeit nutzbare Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Die Ausrichtung der Transportlogistik für die Versorgung der Stadt mit Waren und die Entsorgung durch Lkw auf jederzeit mögliche Fahrverbote ist nicht möglich.

    Schließlich lassen sich Überschreitungen kaum gezielt vorhersagen. Auch die Sperrung einzelner Straßen würde lediglich zu einer Verlagerung des Verkehrs in benachbarte Straßen und somit zu keiner dauerhaften Problemlösung führen.

  • Schnelle Realisierung der Münchner City-Logistik-Terminals

    Bereits am 16. Januar 1996 billigte der Münchner Stadtrat das so genannte "dezentrale GVZ-Konzept für Güterverkehrsund Güterverteilzentren in München" mit insgesamt fünf GVZ-Standorten. Zwischenzeitlich ist das dezentrale GVZ-Konzept auch fester Bestandteil des Münchner Luftreinhalteplans.

    Aus Sicht der Münchner Wirtschaft ist es deshalb höchste Zeit, dass die Landeshauptstadt München endlich die Realisierung des Konzepts in Angriff nimmt, zumal sich an den vorgesehenen Standorten an der Friedenheimer Brücke und im Münchner Osten inzwischen interessante GVZ-affine Entwicklungen ergeben haben.

    Zur Erleichterung freiwilliger Kooperationen wäre es deshalb dringend notwendig, dass gerade der zentrumsnahe Standort an der Friedenheimer Brücke, der beste Voraussetzungen für eine kompakte Belieferung der Münchner Innenstadt auf kurzen Wegen bietet, endlich realisiert wird.

    In Kombination mit umweltfreundlichen Lieferfahrzeugen könnte so ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung der Feinstaubbelastung durch den Lkw-Verkehr geleistet werden. Der Ausbau des zweiten Standortes im Münchner Osten am Umschlagbahnhof Riem könnte zudem einen hervorragenden Beitrag zur Verringerung von Lkw-Fahrten im Containerverkehr liefern.

  • Generelle Tempo-30-Regelung auf dem Münchner Straßennetz ungeeignet

    Auf fast 80 Prozent des Münchner Straßennetzes gilt bereits Tempo 30. Eine Ausdehnung der Tempo-30-Regelungen auf das gesamte Münchner Straßennetz abseits des Mittleren Rings ist kein geeigneter Vorschlag für eine dauerhafte Reduzierung des Feinstaubanteils in der Luft und wird daher von der Münchner Wirtschaft abgelehnt.

    Zum einen ist die Wirkung von Tempo-30-Zonen zur Verringerung von Feinstaub nicht erwiesen, zum anderen würden erzwungene Fahrzeitverlängerungen zu erhöhten Kosten bei Transport und Anfahrt bei Gewerbe, Handel und Handwerk führen. Angesichts der derzeit ohnehin schon vorhandenen Zurückhaltung der Bevölkerung bei den Konsumausgaben ist das kein Beitrag zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes.

  • Schnellstmögliche Ausrüstung von Dieselfahrzeugen mit Rußfiltern

    Die deutsche Automobilindustrie hat trotz ihrer bedeutsamen Forschungen zur Reduzierung der Schadstoffwerte in den letzten Jahren offensichtlich den Einsatz von Filtertechnologien nicht ausreichend forciert. Erfreulicherweise wird mittlerweile mit Hochdruck an der Versorgung aller Dieselfahrzeuge mit Partikelfiltern gearbeitet, so dass in absehbarer Zeit alle Modelle serienmäßig mit Filtern angeboten werden.

    Die Münchner Wirtschaft unterstützt alle darüber hinausgehenden Fördermaßnahmen und Initiativen die dazu geeignet sind, die Ausrüstung von Diesel-Fahrzeugen mit Filtern noch weiter zu beschleunigen. Die Kfz-Betriebe des Handwerks sind jederzeit in der Lage, Diesel-Fahrzeuge mit Nachrüstfiltern auszustatten, soweit diese von der Industrie angeboten werden.

    Allerdings muss den Unternehmen, die sich bei ihren Investitionsentscheidungen an den geltenden EU-Schadstoffklassen orientieren, der nötige Zeitraum zur Umrüstung oder Neubeschaffung ihres Fuhrparks eingeräumt werden. Zusätzlich sollten die Bürger durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit gezielt über den Einsatz von Erdgasfahrzeugen und die Möglichkeiten zur Umrüstung bzw. Ertüchtigung von Diesel-Fahrzeugen sowie alternativer Energien informiert werden.

  • Ausbau und Erhalt einer funktionsfähigen Straßeninfrastruktur in München

    Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bewertet Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur ausdrücklich als geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubbelastung. Die Münchner Wirtschaft erwartet deshalb von der Landeshauptstadt München, dass sie die in ihrem Verkehrsentwicklungs- und Luftreinhalteplan festgelegten Ausbaumaßnahmen, insbesondere bei Ring- und Ausfallstraßen, möglichst rasch in Angriff nimmt.

    Zur Verflüssigung des Verkehrs sind zusätzlich Verkehrsmanagementmaßnahmen für eine optimierte Routenführung auf den Hauptverkehrstraßen mit entsprechenden Informationen zur aktuellen Verkehrslage, zu Baustellen, zu Parkmöglichkeiten (Parkleitsysteme) sowie zu Umsteigemöglichkeiten auf den ÖPNV erforderlich. Das Bundesforschungsprojekt MOBINET und die Forschungsinitiative INVENT liefern hierzu zahlreiche Möglichkeiten und Vorschläge.

    Aber auch die noch bestehenden Verbesserungsmöglichkeiten bei Ampelsteuerungen (Grüne Welle) müssen konsequent genutzt werden, um unnötige Brems- und Beschleunigungsvorgänge zu verringern. Ferner lassen sich durch eine verbesserte Instandhaltung des Straßennetzes auch die Staub- und Lärmemissionen deutlich reduzieren.

  • Zügiger ÖPNV-Ausbau und Verbesserung der ÖPNV-Schnittstellen Pkw/Fahrrad

    München und das Umland verfügen über ein hervorragend ausgebautes ÖPNV-Netz. Dennoch ist ein weiterer zügiger Ausbau, insbesondere des S- und U-Bahnnetzes, unabdingbar, um den zu erwartenden Mehrverkehr abwickeln zu können. Die Münchner Wirtschaft hält insbesondere eine leistungsfähige und schnelle ÖPNV-Anbindung des Flughafens an die Innenstadt für sehr wichtig.

    Sie unterstützt daher mit allem Nachdruck die Planungen zur Realisierung einer Transrapid-Anwendungsstrecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Airport, zumal die Realisierung einer Express-S-Bahn selbst von der S-Bahn GmbH München abgelehnt wird. Auch die bereits beschlossenen Ausbaumaßnahmen bei Park+Ride sowie Bike+Ride in München und dem Umland müssen zügig realisiert werden, um den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel noch attraktiver zu machen.

  • Mehr emissionsarme Fahrzeuge in die Innenstadt

    Die Münchner Wirtschaft unterstützt verkehrliche Maßnahmen, die an der Quelle der Entstehung wirken. Ziel muss es deshalb sein, im Laufe der nächsten Jahre Mittel und Wege zu finden, dass immer mehr emissionsarme Fahrzeuge sich in der Münchner Innenstadt bewegen.

    Der Zeitrahmen sollte dabei so bemessen werden, dass genügend Zeit für eine Nachrüstung des vorhandenen Fahrzeugbestandes, etwa mit Partikelfiltern, bzw. für die Neubeschaffung entsprechend emissionsarmer Fahrzeuge verbleibt. Nur so kann die ungehinderte Ver- und Entsorgung der Innenstadt jederzeit und im erforderlichen Umfang gewährleistet und gleichzeitig die Funktionsfähigkeit der Münchner Wirtschaft sichergestellt werden.

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