Handwerkskammer für München und Oberbayern

Handwerkskonjunktur könnte die Talsohle erreicht habenPeteranderl: "Bundesregierung darf bei dringend nötigen Strukturreformen nicht den Startschuss verschlafen"

31. Juli 2025

„Bei vielen unserer Betriebe wächst die Hoffnung, dass die Handwerkskonjunktur nach vier Jahren realer Umsatzverluste in diesem Sommer die Talsohle erreicht hat“, berichtete Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), bei der Vorstellung der neuesten Konjunkturzahlen. In den Konjunkturumfragen der bayerischen Handwerkskammern bewerteten 83 Prozent der befragten Betriebe ihre wirtschaftliche Lage im 2. Quartal als gut oder befriedigend. Dies ist ein Plus von 2 Punkten gegenüber dem Vorjahresquartal. Vor allem das Bauhauptgewerbe mit plus 5 Punkten und das Gesundheitshandwerk mit plus 9 Punkten konnten deutlich zulegen.

Die durchschnittliche Betriebsauslastung blieb trotz Personalabbaus bei unverändert 79 Prozent. Drei Gruppen (Bauhauptgewerbe, Lebensmittel- und Gesundheitshandwerk) verzeichneten eine höhere Auslastung, drei einen Rückgang (Ausbau-, Kfz-Gewerbe und Zulieferer), während die Auslastung im Handwerk für den privaten Bedarf konstant blieb. Der Auftragseingang wurde von den bayerischen Betrieben etwas positiver eingeschätzt als noch zur Jahresmitte 2024: 19 Prozent der Befragten meldeten eine Zunahme (plus 3 Punkte), 26 Prozent einen Rückgang (minus 4 Punkte). Damit hat sich der seit 2 Jahren andauernde Auftragsrückgang weiter verlangsamt. Im Schnitt hatten die befragten Betriebe Ende Juni Aufträge für 8,9 Wochen in ihren Büchern. Das sind 0,3 Wochen weniger als im Vorjahresquartal. Die Investitionsneigung der bayerischen Handwerksunternehmen bleibt weiterhin erfreulich hoch: Im Berichtszeitraum investierten 42 Prozent in Maschinen, IT und Fuhrpark (plus 2 Punkte).

Das Bauhaupt-, das Ausbau- und das Kfz-Gewerbe sowie das Lebensmittel- und das Gesundheitshandwerk waren im Berichtszeitraum mit der Entwicklung ihrer Umsätze zufriedener als noch vor einem Jahr. Eine Trendwende wurde damit aber noch nicht erreicht. Nach BHT-Schätzungen haben die Handwerksbetriebe im Freistaat im ersten Halbjahr 68,4 Milliarden Euro umgesetzt. Das ergibt nominal eine schwarze Null. Nach Abzug der Preissteigerung steht aber für das erste Halbjahr ein reales Minus von 2,9 Prozent. Der BHT-Präsident: „Auch wenn die Konjunktur im 2. Halbjahr anziehen sollte, ist schon absehbar, dass es für das bayerische Handwerk aufgrund des schwachen Jahresstarts nicht für ein reales Umsatzwachstum im Gesamtjahr reichen dürfte.“

Beschäftigungsentwicklung weiter rückläufig

Sorgen bereitet weiterhin die Beschäftigungsentwicklung: Seit 2022 dauert der Personalabbau im bayerischen Handwerk nun schon an. Betroffen sind vor allem das Bauhauptgewerbe, das Lebensmittelhandwerk und die Handwerke für den privaten Bedarf. In der Konjunkturumfrage berichteten 14 Prozent der Befragten von einem Beschäftigungsrückgang im 2. Quartal. Das waren 2 Punkte weniger im Vergleich zum Vorjahr. Ein Beschäftigungsplus meldeten 11 Prozent – genauso viele wie vor Jahresfrist. Der BHT geht davon aus, dass die Zahl der im bayerischen Handwerk tätigen Personen im 2. Quartal mit 939.400 Personen rund 1,3 Prozent unter dem Vorjahresniveau lag. „Wir rechnen zwar damit, dass sich der Abbau in der zweiten Jahreshälfte weiter verlangsamt. Eine Trendumkehr erwarten wir aber erst im Jahr 2026“, betont Peteranderl. Die Zahl der Handwerksbetriebe in Bayern betrug zur Jahresmitte rund 213.000 und lag damit 0,7 Prozent über dem Vorjahreswert. Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte zeigen sich die bayerischen Handwerksbetriebe ein wenig optimistischer als noch vor einem Jahr: 14 Prozent erwarten eine Verschlechterung ihrer Lage in den kommenden Monaten – vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 17 Prozent. 11 Prozent rechnen mit einer Verbesserung – ein Plus von 2 Punkten.

Erste wirtschaftspolitische Impulse wie das „Investitionssofortprogramm“ und der „Bau-Turbo“ wurden von der neuen Bundesregierung bereits in die Tat umgesetzt. Mit dem auch als „Investitions-Booster“ bekannten Maßnahmenpaket sollen Standortanreize geschaffen und Unternehmen steuerlich entlastet werden. „Die Bundesregierung setzt damit zentrale Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um – vor allem die Wiedereinführung der degressiven AfA sowie eine stufenweise Senkung der Körperschaftsteuer. Das Maßnahmenpaket ist ein erster wichtiger Schritt, um Investitionen in kleinen und mittleren Unternehmen zu beschleunigen.“, betont Peteranderl. Beim Bau-Turbo sollen vor allem Planung und Vergabe erleichtert werden, damit schneller und unbürokratischer gebaut werden kann.

Doch das allein reicht nicht. „Die Bundesregierung darf bei den schuldenfinanzierten Ausgaben nicht in Sphären vorstoßen, wie noch keine Regierung vor ihr – gleichzeitig aber bei den dringend nötigen Strukturreformen den Startschuss verschlafen“, fordert der BHT-Präsident. Durch die enormen Ausgaben stehe die Politik umso mehr in der Pflicht, Wertschöpfung zu generieren und Wachstum zu fördern. Die Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 sei zwar gut, komme aber deutlich zu spät, so Peteranderl: „Sie muss schon jetzt, zu Beginn der Legislatur, vollzogen werden. Außerdem sind der größte Teil unserer Betriebe Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Damit auch diese mehr im Portemonnaie behalten und Mittel für Investitionen haben, braucht es zusätzlich eine Senkung der Einkommensteuer.“ Um die für das Handwerk so wichtige Binnennachfrage anzukurbeln, sollten in diesem Zuge auch kleine und mittlere Einkommen spürbar entlastet werden.

Enttäuscht zeigte sich der BHT-Präsident, dass die Bundesregierung die für alle versprochene Senkung der Stromsteuer wieder einkassiert habe: „Hier wurde unnötig Vertrauen zerstört. Die Handwerksbetriebe hatten sich darauf verlassen, in der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit international wettbewerbsfähigen Energiekosten planen zu können. Verlässlichkeit ist gerade in Zeiten wie diesen besonders wichtig und die Grundlage für Investitionen.“ Energieintensive Handwerke, wie z.B. Textilreinigungen, brauchen ebenso bezahlbare Energie, wie industriell geprägte Großunternehmen. Peteranderl: „Nur einzelne Teile der Wirtschaft zu entlasten, ist ungerecht und verzerrt den Wettbewerb. Das bayerische Handwerk fordert die Bundesregierung daher auf, ihre Entscheidung zu korrigieren und alle unsere Gewerke bei der Strompreiskompensation zu berücksichtigen.“

Sozialabgaben müssen dauerhaft unter 40 Prozent sinken

Zum wirtschaftsfreundlichen Ton der neuen Bundesregierung gehört auch der konsequente Abbau von Bürokratie. „Der Wust an Vorschriften nervt nicht nur unsere Unternehmer, er schreckt auch Gründer und Nachfolger ab. Diese brauchen wir aber dringend, wenn die Boomer unter den Selbstständigen bald in den Ruhestand gehen. Deshalb fordern wir ein Sofortprogramm zum Abbau von Berichtspflichten und Nachweisen – im Bund und auf EU-Ebene“, sagt der BHT-Präsident.

Steigende Lohnkosten sind im arbeitsintensiven Handwerk einer der Hauptkostentreiber. Hinzu kommt, dass die wachsenden Sozialversicherungsbeiträge die Arbeit ebenfalls verteuern. Der BHT-Präsident macht deutlich: „Um Betriebe und Beschäftigte finanziell zu entlasten, müssen die Sozialabgaben wieder dauerhaft unter 40 Prozent sinken. Die sozialen Sicherungssysteme müssen überprüft und generationengerecht ausgestaltet werden. Dazu gehört eine ehrliche Bestandsaufnahme, was notwendig und auch dauerhaft finanzierbar ist.“

Um die Wirtschaft anzukurbeln, braucht es auch mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Dafür setzt das Handwerk u.a. auf die im Koalitionsvertrag angekündigte Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie steuerliche Anreize für Mehrarbeit. Die elektronische Arbeitszeiterfassung dürfe kein neues Bürokratiemonster werden, so Peteranderl. Bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sollte weiterhin auf die Kompetenz aller Handwerkskammern gesetzt werden – ohne das hohe Ausbildungsniveau in Deutschland zu gefährden.

Der BHT-Präsident betont: „Mit der beruflichen Bildung halten wir den Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherung in der Hand. Deshalb gilt es, sie besonders zu stärken.“ In den Bildungsstätten des Handwerks ist ein Investitionsstau von über 3 Milliarden Euro aufgelaufen. Um diesen aufzulösen, sind jährlich 250 Millionen Euro vom Staat erforderlich. Doch die berufliche Bildung muss auch an anderer Stelle unterstützt werden: Für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) braucht das Handwerk eine verlässliche Drittelfinanzierung – mit 100 Millionen Euro jährlich vom Bund.

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

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