Franz Xaver Peteranderl
Handwerkskammer für München und Oberbayern

Die Geschäftsentwicklung bleibt fragilInflation frisst Umsatzwachstum fast vollständig auf

20. Mai 2022

Unterbrochene Lieferketten, die hohe Inflation und ein unsicheres Konsumklima haben im 1. Quartal 2022 die Erholung der Handwerkskonjunktur ausgebremst. „Die Geschäftsentwicklung bleibt fragil, da z.B. das Neu- und Gebrauchtwagensegment nur schwer in Gang kommt. Materialengpässe und die anziehenden Zinsen bilden ein toxisches Gemisch, das den Bau mittelfristig empfindlich treffen könnte“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT).

44 Prozent der befragten bayerischen Handwerksbetriebe bewerteten im Berichtszeitraum ihre aktuelle Lage als gut und weitere 38 Prozent als befriedigend. Gegenüber dem stark von Corona dominierten Vorjahresquartal entspricht dies einer Verbesserung um insgesamt 6 Punkte. Bis zum Vorkrisenniveau fehlen noch 9 Punkte. Die durchschnittliche Betriebsauslastung kletterte innerhalb eines Jahres von 75 auf 78 Prozent. Vor Pandemiebeginn betrug sie noch 80 Prozent.

Mut macht ein Blick auf die Auftragsbestände: Trotz steigender Betriebsauslastung legte die Orderreichweite in Bayerns Handwerksbetrieben zum Ende des 1. Quartals von 10,2 auf 10,5 Wochen weiter zu. Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sowie gestörte Lieferketten haben im Berichtszeitraum zu weiter steigenden Kosten auf Unternehmensseite geführt. Der BHT rechnet mit einer Teuerungsrate für Handwerksleistungen von etwa 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Nach ersten Schätzungen wurden im bayerischen Handwerk zwischen Januar und März rund 27,3 Milliarden Euro umgesetzt. Im Vorjahresvergleich ist dies ein nominaler Anstieg von 10,5 Prozent; nach Abzug der erheblichen Preissteigerung verbleibt ein reales Plus von rund 1,5 Prozent.

Die Beschäftigungsentwicklung im bayerischen Handwerk verlief im 1. Quartal 2022 unbefriedigend. Nach Beschäftigungsverlusten von etwa je einem Prozent in 2020 und 2021, gab es auch im Berichtszeitraum keine Trendwende. Der Mix aus hoher Inflation, einem unsicheren Konsumklima und fehlenden Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt macht es für die Handwerksbetriebe schwer, Personal zu finden. Nach BHT-Schätzungen waren Ende März etwa 937.900 Personen im bayerischen Handwerk tätig. Binnen Jahresfrist ergibt das ein Minus von 0,4 Prozent. Die Neigung, in neue Maschinen und Gebäude zu investieren, lag im Berichtszeitraum bei 38 Prozent und damit auf Vorjahresniveau. In Summe wurden im 1. Quartal geschätzt 735 Millionen Euro in die bayerischen Handwerksunternehmen gesteckt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von 3,5 Prozent. Die Anzahl der Handwerksbetriebe im Freistaat lag Ende März bei rund 207.000. Gegenüber dem Vorjahr sind das 0,2 Prozent weniger.

Für das 2. Quartal erwarten 15 Prozent der Befragten eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, während 65 Prozent mit einer etwa gleichbleibenden Situation rechneten. Im Vorjahr hatte der Anteil optimistischer Erwartungen noch 5 Punkte höher gelegen. Der Ukrainekrieg und die Preissteigerungen bei Energie und Materialien dürften hauptverantwortlich für die Zurückhaltung sein. Dementsprechend schwierig bleibt auch der Ausblick auf die kommenden Monate. Peteranderl: „Bei den verbrauchernahen Dienstleistern, dem Kfz-Handwerk und den Industriezulieferern ist mit einer Verbesserung der Geschäfte zu rechnen. Dem Lebensmittelhandwerk bereiten die hohen Energiekosten Sorgen. Und im Bauhauptgewerbe verzeichnen wir erstmals seit Jahren eine etwas pessimistischere Grundhaltung. Wir dürfen allerdings auch nicht vergessen, dass das Niveau, von dem aus dieser Rücksetzer erfolgt, kaum mehr zu toppen war.“ Bei der Prognose für das Gesamtjahr bleibt der BHT vorsichtig optimistisch. Für das bayerische Handwerk ist 2022 ein nominales Umsatzwachstum von 7 Prozent drin. Allerdings dürfte dieses Plus von der Inflation nahezu vollständig aufgezehrt werden. Bei der Beschäftigung wird ein leichter Zuwachs von 0,5 Prozent erwartet, bei den Investitionen mit einem Plus von 5 Prozent gerechnet.

Wettbewerb um mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen

„Um Handwerk und Mittelstand in ihrem Wirtschaften zu unterstützen, müssen wir weg von dem politischen Wettbewerb, wer sich die kompliziertesten bürokratischen Belastungen ausdenken oder die höchsten Steuern erheben kann. Wir sollten vielmehr darum wetteifern, wer die leistungsfähigsten sowie wirtschafts- und mittelstandsfreundlichsten Rahmenbedingungen schaffen kann“, fordert der BHT-Präsident.

Kritisch bewertet der BHT den Richtlinienvorschlag für das sog. „EU-Lieferkettengesetz“, das im Vergleich zum deutschen „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ zahlreiche Verschärfungen enthält. So sollen große Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um tatsächliche oder potenziell nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu ermitteln, zu verhindern bzw. abzuschwächen. Dieses an und für sich begrüßenswerte Ziel soll entlang der gesamten Wertschöpfungskette umgesetzt werden. „Insbesondere die Möglichkeit, dass betroffene Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten über vertragliche Zusicherungen von direkten und indirekten Geschäftspartnern nachkommen, sehen wir kritisch“, sagt Peteranderl. Das bayerische Handwerk fordert u.a., eine wirksame KMU-Ausnahme entlang der gesamten Lieferkette zu schaffen und die zivilrechtliche Haftung zumindest auf die erste Zulieferstufe zu beschränken. Zudem müssen unternehmerische Aktivitäten innerhalb der Europäischen Union und in anderen Ländern mit einem erwiesen hohen Schutzniveau von der Regelung ausgenommen werden.

Um den Rentenbeitragssatz konstant und die Kostenbelastung für das personalintensive Handwerk im Rahmen zu halten, fordert der BHT, die Altersvorsorge zu reformieren und die Sozialversicherungsbeiträge in Summe bei unter 40 Prozent zu deckeln. „Nur eine dauerhafte Beitragsstabilität auf diesem Niveau sichert die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe“, betont der BHT-Präsident.

Fachkräftemangel und "Auszubildendengarantie"

Im bayerischen Handwerk fehlen aktuell mindestens 19.000 Fachkräfte. „Zu den Engpassberufen zählen neben Bau und Ausbau auch der Kfz-Bereich, die Metallverarbeitung und das Lebensmittelhandwerk“, berichtet BHT-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Hüpers. Vor allem die Energiewende wird im Handwerk mehr Fachkräfte als bisher erfordern. Um diese zu gewinnen, muss das Ausbildungsniveau wieder steigen. 23.800 junge Leute verstärken als Auszubildende seit dem vergangenen Jahr die Betriebe. Gegenüber 2020 ist das ein Rückgang um etwa 1 Prozent. Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 fehlen gut 6 Prozent an Lehrverträgen. Hüpers: „Früher hieß es oft, das Handwerk bilde über den eigenen Bedarf aus. Das gilt schon seit längerer Zeit nicht mehr. Wir brauchen alle unsere Auszubildenden selbst, um aus ihnen die Fachkräfte von morgen zu machen!“

Generell fehlt es im bayerischen Handwerk derzeit eher an Auszubildenden, als an Lehrstellen. „Anstelle einer ‚Ausbildungsgarantie‘ brauchen unsere Betriebe eine ‚Auszubildendengarantie‘“, sagt der BHT-Hauptgeschäftsführer und stellt klar: „Handwerkerinnen und Handwerker sind die Architekten der Energiewende. Unsere Betriebe bauen energiesparende Heizungen ein, dämmen Dächer und helfen dabei, weniger Wasser zu verbrauchen. Im Handwerk kann man die Energiewende aktiv mitgestalten, anstatt nur darüber zu debattieren.“

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

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hwkmuenchen · KONJUNKTUR PK ERSTES QUARTAL BAYERISCHES HANDWERK 2022

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