Franz Xaver Peteranderl
Handwerkskammer für München und Oberbayern

Peteranderl: "Etwa 90.000 Betriebe von den verschärften Corona-Regelungen betroffen"Handwerkskonjunktur gibt im 4. Quartal 2020 weiter nach

28. Januar 2021

Im bayerischen Handwerk sind aktuell etwa 90.000 Betriebe mit geschätzt bis zu 300.000 tätigen Personen von den verschärften Corona-Regelungen betroffen. Die Auflagen verringern die Auslastung der Betriebe oder legen bestimmte Teile des Geschäfts komplett lahm, etwa die Café- und Imbissbereiche bei Bäckern und Metzgern. In anderen Branchen, z.B. bei Friseuren, Gold- und Silberschmieden oder Fotografen sind durch angeordnete Betriebsschließungen die Einnahmen gänzlich weggebrochen. Hinzu kommen indirekt betroffene Gewerke wie z.B. Textilreiniger, die derzeit keine Aufträge von Hotels und Gaststätten erhalten. „Wir fordern daher von der Politik differenziertere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Weiter nur auf Sicht zu fahren und einen Lockdown an den nächsten zu reihen, reicht nicht aus“, betonte Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), bei der Vorstellung der neuesten Konjunkturzahlen.

Insgesamt bewerteten 42 Prozent der Befragten im bayerischen Handwerk ihre aktuelle Lage im 4. Quartal als gut und 34 Prozent als befriedigend. Damit verschlechterten sich die Angaben gegenüber dem Vorjahresquartal um insgesamt 15 Punkte. Die Kapazitätsauslastung betrug 76 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang um 6 Punkte. Der Auftragsbestand im Berichtszeitraum lag bei 8,4 Wochen, ein leichter Rückgang um 0,5 Wochen gegenüber dem Vorjahr.

Nach vorläufigen Schätzungen wurden im 4. Quartal 2020 im bayerischen Handwerk ca. 36 Milliarden Euro umgesetzt. Dies entspricht einem Minus von nominal 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatzvolumen von 124,3 Milliarden Euro erwartet, ein Minus von nominal 1 Prozent gegenüber 2019. Dass der Rückgang angesichts der wirtschaftlichen Dimensionen der Corona-Krise auf den ersten Blick relativ gering erscheint, liegt an zwei Faktoren: Die weiterhin starke Baukonjunktur stabilisiert maßgeblich die Gesamtzahlen. Rechnet man die Preissteigerung heraus, dürfte der Umsatzrückgang im bayerischen Handwerk in 2020 rund 4 Prozent betragen.

Nach einer ersten Berechnung waren Ende 2020 knapp 949.000 Personen im bayerischen Handwerk tätig, ein Minus von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Über das gesamte Jahr sank die Zahl der Beschäftigten um 0,5 Prozent. Der BHT-Präsident: „Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten halten die Betriebe an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fest.“ Auch wenn die Investitionsneigung im Berichtszeitraum gegenüber dem Vorjahr leicht von 44 auf 41 Prozent zurückging, lag das Volumen mit geschätzt 1,1 Milliarden Euro und 5,5 Prozent deutlich im Plus. Dies zeigt, dass die bayerischen Handwerker im 4. Quartal erhebliche Finanzmittel aufbrachten, um ihre Betriebe fit für die Zukunft zu machen. In Summe steht in der Investitionsbilanz des Gesamtjahres mit 3,5 Milliarden Euro jedoch ein erhebliches Minus von ca. 9,5 Prozent. Die Zahl der Handwerksbetriebe im Freistaat legte in 2020 um 0,4 Prozent auf 206.000 leicht zu.

Bei geschlossenen Betrieben wächst der Frust

Für die kommenden Monate sind Bayerns Handwerkerinnen und Handwerker wenig optimistisch: 33 Prozent der Befragten rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäftslage. Anfang 2020 taten dies 14 Prozent. „Wenn die Ansteckungszahlen sinken und der Lockdown zeitnah beendet wird, könnten in den von der Krise besonders schwer getroffenen Gewerken die Verluste des Jahres 2020 zumindest in weiten Teilen wieder aufgeholt werden. Sofern die Baukonjunktur stabil bleibt – hier hoffen wir auf eine ordentliche Nachfrage der öffentlichen Hand – ist für das bayerische Handwerk ein Umsatzwachstum von mindestens drei Prozent nominal möglich“, sagt Peteranderl. Bei einer besonders vorteilhaften Konjunkturentwicklung vor allem im Bereich der Handwerke für den gewerblichen Bedarf und des Kfz-Handwerks, könnte das Plus auch größer ausfallen. Die Beschäftigung dürfte in etwa die Verluste des Krisenjahres 2020 wieder aufholen und um 0,5 Prozent wachsen.

Der BHT-Präsident fordert für die Handwerksbetriebe im Freistaat einen klaren Fahrplan, damit sie ab Mitte Februar wieder hochfahren können: „Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Schutz der Bevölkerung muss weiterhin oberste Priorität haben, eine Überlastung der Krankenhäuser verhindert werden. Doch ohne eine Perspektive drohen Bund und Länder die Unterstützung der Bevölkerung für die Corona-Maßnahmen zu verlieren.“ Unter Friseuren, Kosmetikern und Gewerken mit geschlossenen Ladengeschäften mache sich Frust breit, so Peteranderl: „Sie haben viel Geld in Hygienemaßnahmen investiert und sind trotzdem seit Wochen geschlossen – obwohl sie keine Corona-Hotspots darstellen.“

Viele der aktuell betroffenen Betriebe verfügen über keine Rücklagen. In einer Krise müssen die Inhaberinnen und Inhaber an ihre Altersvorsorge ran, der Spielraum für künftige Investitionen wird eingeschränkt. Auch wenn die sog. „Neustarthilfe“ für Soloselbstständige – das ist eine Form der Überbrückungshilfe III – von bislang 5.000 auf maximal 7.500 Euro erhöht wurde, bleiben die nächsten Wochen für viele eine enorme Herausforderung. Der BHT-Präsident: „Vielfach warten Betriebe, die bereits November- und Dezemberhilfen beantragt haben, immer noch auf ihr Geld. Es ist daher höchste Zeit, das komplexe System der Corona-Hilfen zu vereinfachen. Allerdings dürfen die Nachbesserungen des Bundes den Prozess von Antrag und Auszahlung nicht wieder unnötig verkomplizieren und verzögern. Die Gelder müssen sofort fließen – ohne bürokratisches Klein-Klein. Wenn die Politik jetzt nicht handelt, stehen Tausende Arbeits- und Ausbildungsplätze im Handwerk auf dem Spiel.“

Soforthilfen des Freistaats wiederbeleben

Wichtig ist, dass neben den Fixkosten auch der Unternehmerlohn für die Inhaberin bzw. den Inhaber ersetzt wird. Der BHT regt an, die Soforthilfen des Freistaats aus dem Frühjahr 2020 wiederzubeleben. Zugleich müssen die Hilfen für kleine und mittlere Betriebe verstetigt werden. Zeitlich befristete Maßnahmen, etwa die Stundung von Steuern, müssen verlängert werden. Liquidität kann den Betrieben kurzfristig z.B. durch Verbesserungen bei den Verlustrückträgen und der Thesaurierungsrücklage zugeführt werden.

Ebenso wichtig ist eine Rückkehr zum Präsenzunterricht in Schulen und Bildungsstätten. Die ausgeklügelten Hygienemaßnahmen erlauben es, die Auszubildenden sicher zu unterrichten. „Die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU), die wichtig für das Bestehen der Gesellen- und Abschlussprüfung ist, funktioniert im Distanzunterricht nicht. Die Werkstätten müssen zeitnah wieder geöffnet werden, um den Erfolg der Lehre nicht zu gefährden“, fordert Peteranderl. Auch Fortbildungskurse, etwa zum Meister, sowie Maßnahmen zur Berufsorientierung müssten wieder in Präsenz stattfinden. „Ohne Hilfe bei der Berufswahl, die im Handwerk gerade durch praktische Übungen in den Bildungsstätten funktioniert, befürchten wir, dass sich in diesem Jahr weniger Jugendliche für eine Handwerkslehre entscheiden. Das können wir uns mit Blick auf die Fachkräfteversorgung in unserem Wirtschaftsbereich nicht leisten“, warnt der BHT-Präsident. Nach derzeitigem Stand können zumindest Auszubildende, die kurz vor der Prüfung stehen sowie Handwerkerinnen und Handwerker in der Meistervorbereitung ab Anfang Februar wieder in Präsenz unterrichtet werden.

Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:

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