Sozialpolitischer Informationsdienst Ausgabe 1/2011

Vorschlag der Europäischen Kommission zur konzerninternen Entsendung von Fach- und Führungskräften aus Drittstaaten (ICT-Richtlinien-Entwurf)
Der Richtlinienentwurf regelt die konzerninterne Entsendung von Fach- und Führungskräften aus Drittstaaten. Es besteht die Gefahr, dass international tätige Großbetriebe und multinationale Konzerne über diese Richtlinie einen wesentlichen Teil ihres Fach- und Führungskräftebedarfs abdecken und auf diesem Weg nationale Lohn- und Arbeitsbedingungen unterlaufen können.

In Anbetracht der im April 2011 beginnenden Beratungen des Richtlinienentwurfs auf europäischer Ebene hat der BHT am 9.3.2011 gegenüber Ministerpräsident Seehofer, Staatsministerin Müller, Staatsminister Zeil und Herrn Ferber, MdEP, Stellungnahmen abgegeben. Das Handwerk verlangt insbesondere folgende Korrekturen: 

  • Anwendungsgebot der allgemeinen Entsenderichtlinie auch auf konzernintern entsandte Arbeitnehmer,
  • präzisere und restriktivere Definition des begünstigten Personenkreises, insbesondere von Fachkräften und Trainees,
  • Verhinderung von Weiterentsendungen zwischen Mitgliedstaaten zu Dumpingkonditionen,
  • Herausnahme des Baugewerbes und der Gebäudereinigungsbranche aus dem Anwendungsbereich des Richtlinienentwurfs.

Das BHT-Schreiben vom 9.3.2011 gegenüber Ministerpräsident Seehofer finden Sie unter www.dasbayerischehandwerk.de   

Die BHT-Stellungnahme wurde in ähnlicher Form auch gegenüber Frau Staatsministerin Müller, Herrn Staatsminister Zeil und Herrn Ferber, MdEP, abgegeben.   

Stellungnahme des Europäischen Parlaments (EP) zum Grünbuch "Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme"
Das Europäische Parlament (EP) hat am 16.2.2011 eine Stellungnahme zu o. g. Grünbuch verabschiedet (keine förmliche Entscheidung des EP). Die Europäische Kommission beabsichtigt im 3. Quartal 2011 ein Weißbuch zu diesem Thema mit konkreten legislativen und nicht legislativen Vorschlägen zu veröffentlichen. 

Das EP bekennt sich zum Subsidiaritätsprinzip, da die Rentensysteme in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. Das EP betont die Bedeutung eines längeren Erwerbslebens und die grundlegende Zielsetzung des Grünbuchs, die Mitgliedstaaten zu einer Anpassung ihrer Rentensysteme an die verlängerte Lebenserwartung zu bewegen. Der BHT unterstützt dies ausdrücklich. 

Zum Thema „Betriebliche Altersversorgung“ fordert das EP die Kommission auf, an den bisher - auch aufgrund des Widerstands des Handwerks - gescheiterten Richtlinienvorschlag für "Mindeststandards in der betrieblichen Altersvorsorge" aus dem Jahr 2007 anzuknüpfen und den Abbau von Unverfallbarkeitsfristen zu prüfen. Dies lehnt der BHT entschieden ab. 

Der BHT hat seine Position im Rahmen von Stellungnahmen vom 25.2.2011 gegenüber Frau Staatsministerin Müller, Herrn Ferber, MdEP, und dem ZDH deutlich gemacht. 

Das BHT-Schreiben an Frau Staatsministerin Müller finden Sie unter www.dasbayerischehandwerk.de 

Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung"
Der BHT hat unter seinen Mitgliedsorganisationen eine Bestandsaufnahme zum Thema "Mediation" eingeholt und gegenüber dem ZDH mit Schreiben vom 25.2.2011 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung" Stellung genommen. 

Im Bereich der Verbände in Bayern, insbesondere bei den Innungen, bestehen handwerksspezifische Einrichtungen zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung, die paritätisch besetzt sind, einen unabhängigen Vorsitzenden haben und ein förmliches Verfahren (Verfahrensordnung) durchführen. Diese Einrichtungen werden aufgrund ihrer Fachkompetenz und Neutralität von beiden Parteien (Handwerksbetrieb und Lehrling bzw. Kunde) positiv bewertet und erzielen oftmals einvernehmliche Lösungen insbesondere im Sinne der Betriebe. 

Positiv bewertet wurden im Rahmen der BHT-Umfrage insbesondere die bei vielen Innungen eingerichteten Ausschüsse für Lehrlingsstreitigkeiten sowie die KFZ-Schiedsstellen und Bau-Schlichtungsstellen. 

Auch die nach der Handwerksordnung eingerichteten Vermittlungsstellen der einzelnen Handwerkskammern, die grundsätzlich für alle Handwerke zuständig sind und regelmäßig formlose Verfahren mit dem Ziel der Einigung zwischen Handwerksbetrieb und Kunden durchführen, sind wichtige handwerkspezifische Einrichtungen. 

Der BHT fordert zum Gesetzgebungsverfahren, dass die erfolgreichen handwerklichen Einrichtungen der außergerichtlichen Konfliktbeilegung aufrechterhalten und gestärkt werden. Es ist sicherzustellen, dass nicht außenstehende Dritte oder dritte Personengruppen, wie etwa die Anwaltschaft, diese Tätigkeitsfelder zum Nachteil der Handwerksorganisation und der Betriebe übernehmen. 

Die BHT-Stellungnahme vom 25.2.2011 an den ZDH finden Sie unter www.dasbayerischehandwerk.de 

Reformpläne zu den Umlageverfahren U 1 und U2
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) plant eine Reform der verpflichtenden Arbeitgeber-Umlage U 1 hinsichtlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch Kleinbetriebe sowie des U 2-Verfahrens für Mutterschaftsleistungen aller Arbeitgeber. 

Der BHT hat am 17.2.2011 gegenüber dem ZDH Stellung genommen und - unter Bezugnahme auf eine frühere BHT-Umfrage - dafür plädiert, den Arbeitgebern die freie Entscheidung zu überlassen, ob sie am U 1-Verfahren teilnehmen oder die Kosten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegebenenfalls selbst aufbringen wollen. Entsprechend wurde die Absicht des BMG, den Schwellenwert für die Teilnahme am U 1-Verfahren von derzeit 30 auf 20 Arbeitnehmer zu senken, begrüßt. 

Bitte um Rückmeldung bis 29.4.201 1 an:

Der BHT bittet die Landesfachverbände und Handwerkskammern in Bayern um Äußerung zu der Frage, ob die bisherige Position zur Entscheidungsfreiheit der Arbeitgeber zur Teilnahme am U 1-Verfahren beibehalten werden soll. 

Zum U 2-Verfahren fordert der BHT, dieses Verfahren zu streichen und durch eine Steuerfinanzierung der Mutterschaftsaufwendungen zu ersetzen. 

Die BHT-Stellungnahme vom 17.2.2011 gegenüber dem ZDH finden Sie unter www.dasbayerischehandwerk.de

Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitnehmer mittel- und osteuropäischer Länder zum 1. Mai 2011
Mit dem 1. Mai 2011 fällt die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger der acht EU-Staaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn, die der EU im Jahr 2004 beigetreten sind, weg. Die Bürger der genannten Beitrittsländer genießen ab diesem Zeitpunkt die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Eine EU-Arbeitsgenehmigung der Bundesagentur für Arbeit für die Tätigkeit in Deutschland ist dann nicht mehr notwendig. Für die Beitrittsländer Rumänien und Bulgarien gilt die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit weiterhin bis zunächst 31. Dezember 2011. 

Mit der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit entfallen auch die verbliebenen Beschränkungen für Betriebe aus den acht genannten Beitrittsstaaten in den Branchen Bau, Gebäudereinigung und Innendekoration hinsichtlich der Entsendung von Arbeitnehmern nach Deutschland. Betriebe aus diesen Beitrittsstaaten können nun im Zuge der Dienstleistungsfreiheit ihr Personal in unbeschränktem Umfang mitnehmen. Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen zur Erfüllung eines Auftrags nach Deutschland vorübergehend entsandten Arbeitnehmern unterliegen regelmäßig dem Recht des Herkunftsstaates des Arbeitgebers, soweit die Vertragsparteien keine anderweitige Rechtswahlvereinbarung getroffen haben. Der Arbeitgeber ist jedoch an die Vorgaben des Arbeitnehmerentsendegesetzes gebunden und ist danach insbesondere zur Zahlung von allgemeinverbindlichen Mindestlöhnen an seine in Deutschland tätigen Arbeitnehmer verpflichtet. Bei einer vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmern nach Deutschland unterliegen die Arbeitskräfte bis zu einer Entsendungsdauer von 24 Monaten grundsätzlich weiterhin dem Sozialrecht des Herkunftslandes.   

Geltung des Kündigungsschutzgesetzes bei mehreren Betriebsstätten
Beschäftigt ein Arbeitgeber an seinem zentralen Betriebssitz in Leipzig 8 Arbeitnehmer und in einer weiteren Betriebsstätte in Hamburg 6 Arbeitnehmer, können beide Betriebsstätten jeweils als Kleinbetriebe im Sinne des § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) angesehen werden. Voraussetzung ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 28.10.2010 (AZ.: 2 AZR 392/08) die organisatorische Selbstständigkeit der jeweiligen betrieblichen Einheit. 

Betreibt der Arbeitgeber am Standort Hamburg eine allein auf Hamburger Immobilien bezogene Hausverwaltung und arbeiten die dortigen Arbeitnehmer eng unter der Leitung eines mitarbeitenden Betriebsleiters zusammen, besteht die für einen Kleinbetrieb typische Gefahr, dass sich atmosphärische Störungen ergeben, die dem Betriebsablauf abträglich sind. Auch lassen sich Ausfälle von Mitarbeitern wegen der großen räumlichen Entfernung zwischen Hamburg und Leipzig nur schwer ausgleichen. Voraussetzung für die Annahme eines selbstständigen Betriebs am Standort Hamburg ist weiter, dass die dortige Einheit tatsächlich von dem Betriebsleiter vor Ort eigenverantwortlich geführt wird, d. h. dieser in personellen und sozialen Angelegenheiten eigene Entscheidungsspielräume hat, so das BAG. 

Das vollständige BAG-Urteil vom 28.10.2010 finden Sie unter juris.bundesarbeitsgericht.de

Unzulässige Pauschalabgeltung für Überstunden
Die in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Klausel "Erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten" ist regelmäßig unwirksam. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 01.09.2010 (AZ.: 5 AZR 517/09) genügt diese Klausel nicht dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und hat zur Folge, dass die vom Arbeitnehmer geleisteten Überstunden vergütungspflichtig sind. 

Sofern Überstunden mit der Vergütung bzw. mit einer Pauschale abgegolten werden sollen, ist aufgrund des BAG-Urteils für die Arbeitsvertragsgestaltung eine Klausel mit einer beschränkten Abgeltung von Überstunden zu empfehlen. Mindestanforderung ist, dass für den Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennbar ist, was gegebenenfalls "auf ihn zukommt" und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss. Dieser Mindestvoraussetzung kann z. B. mit einer Formulierung wie "bis zu ... Überstunden pro Monat sind mit der Pauschale in Höhe von ... Euro abgegolten" Rechnung getragen werden. Im Übrigen ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu beachten. Danach darf die Arbeitszeit im wöchentlichen Durchschnitt 48 Stunden nicht überschreiten. 

Eine unbeschränkte Überstundenabgeltung ohne zusätzliche Vergütung ist allenfalls bei leitenden, hochbezahlten Angestellten ("Spitzenverdienern") denkbar. 

Das vollständige BAG-Urteil vom 1.9.2010 finden Sie unter juris.bundesarbeitsgericht.de

Neue Unfallverhütungsvorschrift "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit"
Seit dem 1.1.2011 besteht aufgrund der Unfallverhütungsvorschrift "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" für Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand eine einheitliche Vorgabe zur Konkretisierung des Arbeitssicherheitsgesetzes. Für die Regelbetreuung gilt das neue Konzept ab Januar 2011.

Die bei den Berufsgenossenschaften bereits eingeführte alternative Kleinbetriebsbetreuung gilt bei den Unfallkassen der öffentlichen Hand ab Januar 2013. Die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung besteht aus 2 Komponenten, der Grundbetreuung, für die in der Unfallverhütungsvorschrift Einsatzzeiten vorgegeben werden sowie dem von jedem Betrieb selbst zu ermittelnden betriebsspezifischen Betreuungsanteil. 

Für kleine Betriebe mit bis zu max. 50 Beschäftigten (Festlegung durch Unfallversicherungsträger) besteht die Möglichkeit, die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung nach Vorgaben der Berufsgenossenschaft weitgehend selbst zu übernehmen. Wesentliche Komponenten dieser alternativen Betreuungsform ("Unternehmermodell") sind insbesondere Informations- und Fortbildungsmaßnahmen für den Unternehmer selbst sowie die Inanspruchnahme einer externen betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung bei besonderen Anlässen (z. B. bei grundlegend geänderten Arbeitsverfahren). 

Näheres zur Unfallverhütungsvorschrift "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit" (DGUV Vorschrift 2) finden Sie unter www.dguv.de 

Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 – rund 1 Prozent
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat mitgeteilt, dass sich die Renten der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung zum 1. Juli 2011 in den alten Bundesländern voraussichtlich um 0,99 Prozent erhöhen werden. 

Dies ergibt sich aus den vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Daten über die Einkommensentwicklung des Jahres 2010. Bei der Festlegung des neuen Rentenwertes von 27,47 Euro (West) wurde erstmals ein Teil der in den Vorjahren durch die „Rentengarantie“ unterbliebenen Rentenminderungen berücksichtigt. 

Mit der angekündigten Rentenerhöhung steigen auch die Freibeträge für die volle Gewährung der Witwen-, Witwer- und Waisenrenten um den gleichen Prozentsatz an. 

Die Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates und wird dann im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Weitere Informationen finden Sie unter www.bmas.de